Der Laugenbäcker alter Tage
Trägt auf einer Leichenbahre
Sein ruhmreiches Geschäft zu Grabe.
Gerne denk ich an die Tage,
Samstags schellte frisch die Ware,
Ihr Weckruf glich einer Fanfare.
Das waren diese Tage
Als in unsrem Frühstückssaale
Alles roch wie frische Narde.
Das allein war mir einst Habe,
Besaß als Kind nur eine Narbe
Von einer Scherbe auf der rechten Wade.
Doch zurück, des Bäckers Gabe
War zu mischen Zunft und Marke,
Handwerk ging Hand mit Reklame.
Kunstvoll groß auf einer Waage
Schwebte stolz der Firmenname
Oval in weiß-blau-roter Farbe.
Jedem Schlemmer kam die Frage,
Doch seine Antwort blieb stets vage,
Die Rezeptur glich einer Sage.
Der Brezel Teig war das Tonale,
Mit Salz und Butter klang die Schale,
Der Gaumendreiklang sank wie Sahne.
Wie die Biene in der Wabe
Lernte damals jeder Knabe
In eines Meisters Kemenate.
Heute hört man Weh und Klage,
Das Handwerk sei in schlimmer Lage,
Da keiner mehr die Mühe wage.
Auch der Laugenbäcker alter Tage
Rümpft beim Thema seine Nase,
Der Wohlstand sei die schlimmste Plage.
Der Brezelbäcker zählt die Tage
Und zum letzten Mal die Ware,
Schließt die Kasse als ich zahle.
Der Laugenbäcker alter Tage
Trägt allein die Leichenbahre,
Gramvoll fällt sein Blick zu Tale.
Mit seiner Rezeptur im Grabe
Ruht der Bäcker bald im Sarge,
Verschollen wie die Gotteslade.
Der Laugenbäcker
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