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Die Fabrik

Des Morgens, wenn der Hahn grad kräht,
Bevor die Sonne aufersteht,
Bevor Lebendiges sich regt,
Bin ich schon lange auf dem Weg.

Was war mein Reisen Müßiggang!
Bei Müdigkeit lag ich gern lang.
Nun ist mir am Morgen bang,
Nicht mal Kaffee hilft mir dann.

Zeiten, als die Welt war leise,
Die Zeit, in denen eine Reise
Ewig war, daher man weise
Ziehen musste seine Kreise.

Damals gab es viele Felder,
Dunkel waren alle Wälder,
Einst warf jede Kuh noch Kälber,
Heute sind die Kälber Gelder.

Doch nun genug, die Zeit vorbei,
Schon jetzt sind meine Füße Blei.
Ich hasse diese Bäckerei!
Nun ist auch leer mein Frühstücksbrei.

In der großen Halle gleich,
Sie scheint mir wir ein klarer Teich,
Wo die Chefin oben reich,
Und wir am Netze zappeln bleich.

Der Mühe Lohn für ein paar Zahlen,
Als zählte man zu den Frugalen!
Es geht vorbei, nun Würde wahren,
Bald Wochenende in fünf Tagen.

Mein Herzblut gleicht dem sauren Wein,
Strömt bis ins Mark und in mein Bein.
Du, Schwellenangst, lass mich herein!
Ich bin zu spät, wie kann das sein?

Sie geht jetzt los, die Arbeitszeit.
Wann werde ich vom Fluch befreit?
Ist es bald aus mit diesem Leid?
Wer hört, wie meine Seele schreit?

Befehle kommen mir zu Ohren.
Ach, hätt ich mich doch nie beworben!
Ich schaffe und vergess die Sorgen.
Chefvisite: „Guten Morgen“.

Die Chefin feuert auf mich Schrot
Und gleich darauf ist sie voll Lob.
Mit Peitsche und mit Zuckerbrot
Nutzt sie aus des Menschen Not.

Meiner Chefin böse Lärm
Ist unverdaulich wie ein Kern,
Schreit herab, hallt im Konzern,
Ich hör den Tinnitus von fern.

Die Chefin ist der Haifisch hier
Und die Beute, das sind wir.
Ihr Köder war ein Blatt Papier,
Der Kontrakt lockt das Beutetier.

Sklaven, nein, das ist schon klar.
Doch prinzipiell ist es schon wahr,
Eingesperrt von Tag zu Jahr
Wie eine Käfigvogelschar.

Nie wollt ich es, nun stehen wir
Angestellt jetzt Stunden hier.
Es sind erst dieser leider vier,
Wie freu ich mich aufs Abendbier!

Ermahnung, Lob und Mängelrüge,
Wieder Brot und wieder Hiebe,
Doch die Klingel, meine Liebe,
Ruft zur Pause für die Triebe.

Der Feierabend rituell,
Am Morgen war es nicht mal hell,
Die Abendsonne schimmert grell,
Der Stadtverkehr lärmt wie Gebell.

Oh Zeiten, als die Welt war leise!
Zeiten, als so eine Reise
Ewig war, daher man weise
Ziehen musste seine Kreise.

Damals gab es nur die Felder,
Stille waren alle Wälder,
Im ganzen Dorf gabs eine Kelter,
Heut dampft jeder Rauch zum Melder.
Published inLyrik

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