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Ferragosto

Im letzten Sommer saßen wir auf dem Balkon,
Die Sonne gab sich blendend preis.
Es glänzte grell der klare See
Und das Hell vergoldete den Tisch.

Geredet wurde schüchtern noch,
Kam ich gerade doch erst an.
Und nach einer kurzen Weile
Zog man Schnupftabak heran.

Hoch stand die Sonne abends noch,
Sie wollte nimmer dämmern.
So, dacht ich, wär mein Leben doch,
Ein ewiger Sommer und allzeit hell.

Im letzten Sommer meines Lebens
Wurd ich gewahr das Ende meines Weges.
Hier verstand ich endlich
Den Lauf der Sonne geozentrisch.

Ich schaute in den Himmel,
Auf die Berge, den See,
Die Straße, die Häuser,
Die Menschen, die Stille.

Alles erhellt im höchsten Licht
Der Iden des Augustus.
Sein irdischer Friede
War mit uns allen.

Die Sonne folgte seinem Pfade
Und schenkte uns warme, freie Tage.
Der Unterwelt hingegen
Konnte Cleopatra nicht entschweben.

So starb die Schönheit
Und Verführung
Nach der Schlacht bei Actium
Und bleibt für ewig stumm.

August hingegen thront als Friedensfürst
Und Mondlauf noch heute,
Doch erst sein Zensus
Machte den Kaiser für immer unsterblich.

Wo er heute also weilt?
Was aus ihm geworden ist?
Vielleicht hat er Helios abgelöst
Auf seiner täglichen Route.

Aber kann ein Sterblicher wirklich
So hoch oben im Himmel sein
Und der Sonne
Römische Befehle erteilen?

Man müsste einen unscheinbaren Menschen
In den Himmel schicken,
Der August von seiner sommerlichen Arbeit
Endlich erlöste.

Vielleicht eine magdliche Anticleopatra,
Eine zeitgenössische Untertanin,
Die lediglich seinen Steuerleuten
Eine kurze Notiz wert war?

Vielleicht müssen wir
Eines Tages auch alle kommen,
Damit der August
Sonnengleich nie finster werde.

Auf dieser hohen Terrasse
Mit Bier und Schnupftabak
Sah ich ihn freudvoll vor mir,
Den Tag meiner persönlichen Himmelfahrt.
Published inLyrik

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